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Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen. Kommunikationswege während der Pandemie

Die COVID-19-Pandemie stellt die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen in vielfacher Hinsicht vor große Herausforderungen. Eine wichtige Frage ist, wie in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Abstandsgeboten die Zusammenarbeit mit den Eltern und Familien gelingen kann. In einer Onlinebefragung der Berufsakademie Sachsen wurden hierzu die Praxispartner des dualen Studiengangs Soziale Arbeit in der Studienrichtung Bildung und Erziehung in der Kindheit befragt. Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, wie Kindertageseinrichtungen die Zusammenarbeit mit Eltern und Familien während des ersten Pandemiejahres realisiert haben. Zahlreiche Einrichtungen haben neue digitale Kommunikationswege in der Zusammenarbeit eingesetzt. Nicht alle Eltern und Kinder konnten hierüber erreicht werden.

Zusammensetzung der teilnehmenden Fachkräfte

Die Datenbasis für die vorliegende Studie liefert eine querschnittliche Onlinebefragung von 369 pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen (Kinderkrippen, Kindergärten, Horten), die im Zeitraum vom 16.02.2021 bis 15.03.2021 mithilfe der Online-Umfrage-Applikation LimeSurvey durchgeführt wurde. Anders als in Untersuchungen zu Beginn der Pandemie (z. B. Cohen, Oppermann & Anders, 2020 & 2021) hatten die befragten Fachkräfte ein Jahr Zeit sich mit der neuartigen Situation auseinanderzusetzen. Die teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte stammen mehrheitlich aus den Bundesländern Sachsen (52 %) und Sachsen-Anhalt (40 %). Die restlichen Teilnehmenden verteilen sich auf das gesamte Bundesgebiet. Als berufliche Qualifikation geben die Studienteilnehmenden „Erzieher_in“ (44 %), „Sozialpädagog_in“ (25 %), „Kindheitspädagog_in“ (11 %) und weitere vorwiegend hochschulische Berufsabschlüsse an. Es liegen Antworten aus allen Altersgruppen vor. Die pädagogischen Fachkräfte arbeiten zu 13 Prozent mit unter 3-jährigen Kindern (Kinderkrippe), zu 27 Prozent mit 3- bis 6-jährigen Kindern (Kindergarten), zu 35 Prozent mit Kindern von 0 bis 6 Jahren und zu 16 Prozent mit Kindern im Schulalter (Hort). Hinzu kommen noch pädagogische Fachkräfte, die in Einrichtungen arbeiten, welche das gesamte Spektrum der Kindheit von 0 bis 12 Jahren abdecken (9 %). Rund drei Viertel (76 %) der Studienteilnehmenden gaben an, dass sie in der Einrichtung vor Ort sind und im direkten Kontakt mit Kindern arbeiten.

Struktur und aktuelle Situation in den Kindertageseinrichtungen

Die Kindertageseinrichtungen befinden sich in Trägerschaft von frei-gemeinnützigen Trägern bzw. Wohlfahrtsverbänden (40 %), öffentlichen Trägen (36 %), konfessionellen Trägern, die nicht einem der sechs Spitzenverbände angehören (18 %) oder privat-gewerblichen Trägern (6 %). Es handelt sich in der Regel um große Einrichtungen mit mehr als 100 Betreuungsplätzen (53 %), die zum Zeitpunkt der Befragung durch die Notbetreuung bzw. den eingeschränkten Regelbetrieb zu einem Drittel voll oder annähernd voll ausgelastet waren (76 bis 100 % der Betreuungsplätze). Die pädagogisch-konzeptionelle Ausrichtung war zum Zeitpunkt der Befragung mehrheitlich gruppenbezogen (57 %). Offene Konzepte und teiloffene Konzepte wurden während der Notbetreuung und im eingeschränkten Regelbetrieb durch Verordnungen der Länder zur Reduzierung von Kontakten in Kindertageseinrichtungen in der Regel untersagt (z. B. im Freistaat Sachsen).

Kommunikationswege mit Eltern während der Pandemie

Aufgrund von Notbetreuung bzw. eingeschränktem Regelbetrieb hatten im ersten Pandemiejahr nicht alle Eltern einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder. Eltern, die einem nicht systemrelevanten Beruf oder nicht einer Tätigkeit in einem kritischen Infrastrukturbereich nachgehen, mussten die Kinderbetreuung phasenweise selbst organisieren. Im Freistaat Sachsen war dies im ersten Pandemiejahr vom Mitte März bis Ende Juni 2020 und vom Mitte Dezember 2020 bis Mitte Februar 2021 der Fall (Autorengruppe Corona-KiTa-Studie, 2020 & 2021). Zu unterscheiden ist deshalb die Zusammenarbeit mit Eltern, deren Kinder im ersten Pandemiejahr die Kindertageseinrichtung regelmäßig besuchten, von der Zusammenarbeit mit den Eltern, deren Kinder die Einrichtung nicht regelmäßig besuchen konnten. Erwartungsgemäß gelingt es den Studienteilnehmenden deutlich besser im Kontakt mit Eltern und Kindern zu bleiben, die regelmäßig in der Einrichtung sind. Als „sehr gut“ bis „gut“ eingeschätzt wird von 51 Prozent der Fachkräfte der persönliche Kontakt mit Eltern deren Kinder regelmäßig die Einrichtung besuchen. Für die Eltern, deren Kinder nicht regelmäßig die Einrichtung besuchten konnten, wurde diese Antwortoption nur von 23 Prozent der pädagogischen Fachkräfte ausgewählt. Nach Angabe der Studienteilnehmenden wurden folgende Formen der Zusammenarbeit im ersten Pandemiejahr eingesetzt: Tür- und Angelgespräche in der Kita (80 %), Begleitung des Kindes durch eine Bezugsperson bei der Eingewöhnung (69 %), Aufnahme-/Eingewöhnungsgespräche in der Kita (67 %), Beratungsgespräche mit einzelnen Eltern per Telefon (66 %), Einzelberatung und -gespräche in der Kita (35 %), Direktnachrichten über Soziale Netzwerke/Messenger (z. B. WhatsApp…) (20 %), Direktnachrichten über eine App für Elternkommunikation (z. B. Care-App, Kita-Info-App…) (11 %), Hospitation von einzelnen Eltern in der Kita (2 %). Abgefragt wurden somit vorwiegend Formen der Zusammenarbeit, die dem kindbezogenen oder organisationsbezogenen „Informationsaustausch“ mit den Eltern dienen (Viernickel & Schwarz, 2009, S. 60; vgl. auch Friederich, 2012, S. 38).

Rund 82 Prozent der pädagogischen Fachkräfte gaben an, dass sie sich bemüht haben, auch in Kontakt mit Kindern und Erziehungsberechtigten zu bleiben, die nicht regelmäßig die Einrichtung besuchen konnten. Wenn nicht mit den Eltern und Familien Kontakt aufgenommen wurde, geschah dies in der Regel aus folgenden Gründen (sortiert nach Häufigkeit der Nennung):

(1) Technische Voraussetzungen in der Kita nicht gegeben

(2) Keine technische und pädagogische Unterstützung vom Träger

(3) Hohe eigene Arbeitsbelastung

(4) Zeitaufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen

(5) Technische Voraussetzungen im Elternhaus nicht gegeben

Wenn der Kontakt aufrechterhalten wurde, erfolgte dies über diese Kommunikationswege: Telefon (67 %), Post (62 %), E-Mail (57 %), Soziale Netzwerke/Messenger (z. B. WhatsApp…) (23 %), Persönlich (z. B. Treffen im Freien) (19 %), App für Elternkommunikation (z. B. Care-App, Kita-Info-App…) (7 %). Einzelne pädagogische Fachkräfte berichteten davon, dass sie Videokonferenzen, Videoanrufe, Videobotschaften, eine digitale Pinnwand (auch „Padlet“ genannt) oder die eigene Homepage für den Informationsaustausch bzw. die Informationsweitergabe nutzten.

Konkret wurden regelmäßig Anregungen zum Basteln, Spielen und Singen per Post oder E-Mail an die Elternhäuser der Kinder übermittelt. Es wurden wöchentliche virtuelle Morgenkreise über Videokonferenzlösungen durchgeführt, Videos oder Podcasts mit Fingerspielen, Liedern und Geschichten aufgenommen und über einen Online-Datenspeicher übermittelt. Manche Einrichtungen besuchten die einzelnen Familien persönlich an der Haustür und brachten Weihnachts-, Oster- oder Geburtstagsgeschenke vorbei. Genannt wurde auch vereinzelt, dass an den Gartenzaun der Einrichtung Spiel- und Aktionsbeutel zum Mitnehmen gehängt wurden.

Nach Angabe der an der Studie teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte konnte zu der Mehrheit aller Erziehungsberechtigten und Kinder der Kontakt aufrechterhalten werden. 27 Prozent der Teilnehmer_innen konnte mit mindestens dreiviertel (76 % bis 100 %) der Familien Kontakt halten. Weiteren 27 Prozent gelang dies zumindest bei mehr als der Hälfte der Familien (51 % bis 75 %).

Diskussion und Fazit

Zusammenfassend zeigen die deskriptiven Ergebnisse, dass die pädagogischen Fachkräfte Mittel und Wege gefunden haben, um zumindest mit dem größten Teil der Eltern und Familien im Kontakt zu bleiben. Dennoch konnten viele Formen der Zusammenarbeit nicht stattfinden. Dies wird deutlich, wenn man die vorliegenden Daten mit Studienergebnissen, die vor dem Beginn der Pandemie entstanden sind, vergleicht. Bei einer bundesweit durchgeführten Studie (Viernickel et al., 2013, S. 127) gaben mehr als 90 Prozent der Studienteilnehmenden an, dass tägliche Tür- und Angelgespräche, individuelle Eltern-/Entwicklungsgespräche, Feste und Elternabende etablierte Formen eines regelmäßigen Informationsaustausches mit den Erziehungsberechtigten in ihrer Einrichtung sind. Selbst niederschwellige Formen des Informationsaustausches wie die täglichen Tür- und Angelgespräche waren aufgrund der unterschiedlichen Hygienebestimmungen nicht in allen Einrichtungen im ersten Pandemiejahr durchgehend möglich. Teilweise mussten die Kinder zentral an der Einrichtungstür bei einer für das Kind und Eltern fremden Fachkraft abgegeben und abgeholt werden, was eine individualisierte Kommunikation unwahrscheinlich machte. In einer von der Bertelsmann Stiftung (2021, S. 39) beauftragten Befragung – die vor der COVID-19-Pandemie durchgeführt wurde – gaben 85,9 Prozent der Eltern an, dass ein Informationsaustausch beim Bringen der Kinder „immer“ oder zumindest „häufig“ möglich ist. Immerhin 80 Prozent der Studienteilnehmenden gaben an, dass Tür- und Angelgespräche im ersten Pandemiejahr möglich waren, allerdings natürlich nur mir Eltern, die regelmäßig ihre Kinder in die Tageseinrichtungen bringen konnten. Somit blieben Eltern, die keinem systemrelevanten Beruf oder einer Tätigkeit in einem kritischen Infrastrukturbereich nachgingen, von einem regelmäßigen Informationsaustausch ausgeschlossen. Besonderes Augenmerk bedarf der Befund, dass die Begleitung des Kindes durch eine Bezugsperson bei der Eingewöhnung im Pandemiejahr nicht überall stattfinden konnte. Unklar bleibt hier, ob die Eingewöhnungen verschoben wurden oder tatsächlich ohne Bezugsperson durchgeführt wurden, was einem Rückschritt gleichkäme.

Anhand der vorliegenden Daten lässt sich aufzeigen, dass zahlreiche Kindertageseinrichtungen in der Pandemie neue digitale Kommunikationswege gegangen sind (z. B. E-Mail-Kontakt, Kontakt über Soziale Netzwerke/Messenger oder über spezielle Apps für die Elternkommunikation). In einer Fragebogenerhebung von Knauf (2019, S. 18) – welche vor der COVID-19-Pandemie durchgeführt wurde – gaben weniger als 10 Prozent der Studienteilnehmenden an, die E-Mail (9 %), Messenger (2 %) und Online-Plattformen (1 %) häufig zur digitalen Kommunikation mit den Eltern einzusetzen. Verglichen mit den vorliegenden Ergebnissen kann davon ausgegangen werden, dass der Kontakt über E-Mail (57 %) und Messenger (23 %) zur Weitergabe von Informationen häufiger genutzt wurde. Deutlich verbreiteter sind in der Pandemie jedoch weiterhin Telefon (69 %) und Post (62 %). Erst an dritter Stelle wurde die E-Mail genannt um mit Eltern und Familien im Kontakt zu bleiben, die das Angebot der Notbetreuung bzw. des eingeschränkten Regelbetriebes nicht nutzen konnten. In einer bundesweiten Onlinebefragung zu Beginn der Pandemie zeigt sich ein vergleichbares Bild (Kontakt per E-Mail 74,7 %, Post 74,0 %, Telefon 71,0 %, WhatsApp 28,9 %) (Cohen, Oppermann & Anders, 2020, S. 33). Auffallend ist die weitaus geringere Nutzung der E-Mail in der Elternzusammenarbeit. Was auch daran liegen könnte, dass nicht alle Einrichtungen die E-Mail-Adressen der Eltern besitzen, kein Zugang zu einem internetfähigen Computer in der Gruppe haben, den pädagogischen Fachkräften die Zeit oder technische Beratung und Unterstützung fehlt. Aber auch bei besten technischen Voraussetzungen auf Seiten der Kindertageseinrichtung und des Elternhauses und geklärten Datenschutzfragen wird das persönliche Gespräch auch in post-pandemischen Zeiten nicht überflüssig werden. In einer von der Bertelsmann Stiftung (2021, S. 38) beauftragten Befragung gaben 93 Prozent der Eltern an, das persönliche Gespräch zu bevorzugen, wenn es um kindbezogene Informationen geht (z. B. Entwicklungsgespräch …). Hingegen sind bei organisationsbezogenen Informationen (z. B. Ausflüge, Speiseplan, Schließtage …) E-Mail/SMS/WhatsApp-Nachrichten (26 %) die beliebtesten digitalen Kommunikationswege von Eltern (Bertelsmann Stiftung, 2021, S. 38). Kindertageseinrichtungen müssen sich deshalb nicht nur mit dem Träger über die benötigte digitale Infrastruktur verständigen, sondern auch die konzeptionelle Frage nicht aus dem Blick verlieren, welche Aufgaben der Zusammenarbeit digital durchgeführt werden können und wer hierdurch erreicht und wer ausgeschlossen wird.

Literatur

Autorengruppe Corona-KiTa-Studie (2020): 1. Quartalsbericht der Corona-KiTa-Studie (III/2020). https://corona-kita-studie.de/media/116/download/Corona_KiTa_1.Quartalsbericht_III_2020.pdf [02.02.2021].

Autorengruppe Corona-KiTa-Studie (2021): 6. Quartalsbericht der Corona-KiTa-Studie (IV/2021). https://corona-kita-studie.de/media/203/download/Corona-KiTa_6.Quartalsbericht_IV_2021.pdf [02.02.2021].

Bertelsmann Stiftung (2021): ElternZOOM 2021. Eltern ergreifen das Wort. Bedarfe und Wünsche von Eltern zur Kindertagesbetreuung in Deutschland. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.

Cohen, F., Oppermann, E. & Anders, Y. (2021): (Digitale) Elternzusammenarbeit in Kindertageseinrichtungen während der Corona-Pandemie. Digitalisierungsschub oder verpasste Chance? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 24 (2), S. 313-338.

Cohen, F., Oppermann, E. & Anders, Y. (2020): Familien und Kitas in der Corona-Zeit. Zusammenfassung der Ergebnisse. https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/efp/forschung/Corona/Ergebnisbericht_finale_Version_Onlineversion.pdf [02.02.2022].

Friederich, T. (2012): Zusammenarbeit mit Eltern – Anforderungen an frühpädagogische Fachkräfte. München: Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte.

Knauf, H. (2019): Digitalisierung in Kindertageseinrichtungen. Ergebnisse einer Fragebogenerhebung zum aktuellen Stand der Nutzung digitaler Medien. Bielefeld Working Paper 3, Oktober 2019.

Viernickel, S., Nentwig-Gesemann, I., Nicolai, K., Schwarz, S. & Zenker, L. (2013): Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung. Bildungsaufgaben, Zeitkontingente und strukturelle Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen. Berlin: Der Paritätische, Diakonie & GEW.

Viernickel, S. & Schwarz, S. (2009): Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung. Wissenschaftliche Parameter zur Bestimmung der pädagogischen Fachkraft-Kind-Relation (2. Aufl.). Berlin: Der Paritätische, Diakonie & GEW.

 

Factsheet zur Studie: https://www.ba-breitenbrunn.de/fileadmin/breitenbrunn/news/2021/Fact_sheet.pdf

 

Zitiervorschlag: Jahreiß, Samuel (2022): Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen. Kommunikationswege während der Pandemie. In: Böhmer, Anselm; Engelbracht, Mischa; Hünersdorf, Bettina; Kessl, Fabian; Täubig, Vicki (Hrsg.): Soz Päd Corona. Der sozialpädagogische Blog rund um Corona. (Abgerufen unter: https://opendata.uni-halle.de//handle/1981185920/87961)

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